Der Engel der
Heiterkeit
Für die frühen Mönche war die hilaritas, die
Heiterkeit und innere Klarheit, die Fröhlichkeit und Helligkeit, ein
Zeichen für eine stimmige Spiritualität. Wer seine eigene Wahrheit
erkannt hat, wer seine Höhen und Tiefen erlebt hat, und wer sich
ganz und gar angenommen fühlt, der strahlt solche hilaritas aus. Der
geht nicht mehr mit einer finsterernsten Miene durch die Welt. Ihm
ist nichts Menschliches mehr fremd. Und er weiß alles geborgen, auch
die eigene Schwäche und all die Irrwege des Menschen. Es ist ein
Strahlen, das von innen kommt, weil alles in ihm vom heilenden und
wärmenden Licht göttlicher Liebe erleuchtet ist. Das deutsche Wort
heiter bedeutet von seiner Wurzel her: klar, hell, wolkenlos,
leuchtend. Durch den heiteren Menschen scheint ein helles Licht in
seine Umgebung. Er vertreibt die Wolken, die die Köpfe der Menschen
verdunkeln. Heiterkeit ist nicht einfach nur eine
Charaktereigenschaft, mit der man geboren wird. Sie entsteht durch
ein großes Vertrauen, dass man so, wie man ist, bedingungslos
angenommen ist, dass alles letztlich gut ist. Und sie entsteht durch
den Mut, die eigene Wahrheit anzuschauen. Christen sind überzeugt:
Nur wer das Licht Gottes in alle Abgründe seiner Seele eindringen
lässt, der kann Heiterkeit ausstrahlen. In ihm gibt es nichts
Dunkles mehr, das er verstecken müsste, nichts Abgründiges, vor dem
er Angst haben müsste. Er geht sorglos durch die Welt. Das ist kein
naiver Optimismus, sondern eine Haltung, die aus der Begegnung mit
der Wahrheit kommt. Weil er seiner eigenen Wahrheit ins Auge
geschaut hat, braucht er sich den Kopf nicht mehr zu zergrübeln über
eventuelle Probleme und Gefahren. Er ist nicht fixiert auf das
Dunkle dieser Welt, sondern sieht alles ins göttliche Licht
getaucht. Er vertraut, dass dieses Licht, das in seinem Herzen
gesiegt hat, sich auch in der Welt durchsetzen wird. Solche
Heiterkeit steckt an. In der Nähe eines heiteren Menschen kann man
sich nicht über den Weltuntergang unterhalten. Da kann man sich
nicht in einem Jammern über die Zustände dieser Welt ergehen. Der
Heitere verschließt die Augen nicht vor der konkreten Situation
dieser Welt. Er verdrängt das Dunkle nicht. Aber er sieht alles aus
einer anderen Perspektive heraus, letztlich aus einer Perspektive
des Geistes, der auch die Finsternis durchschaut, bis er auf den
leuchtenden Grund Gottes darin stößt. Er sieht alles aus der
Perspektive seines Engels heraus, der die Wirklichkeit dieser Welt
so sieht, wie sie ist, der es aber dennoch fertig bringt, sich mit
seinen Flügeln über sie zu erheben und sie trotz aller Schwere mit
einer inneren Heiterkeit anzuschauen. Einem heiteren Menschen kann
man keine Angst einjagen. Er ruht in sich. Und so kann ihn nichts so
leicht umwerfen. Wenn du mit einem so heiteren Menschen sprichst,
dann kann sich auch dein Inneres aufheitern, dann siehst du auf
einmal dein eigenes Leben und Deine Umgebung mit anderen Augen. Es
tut dir gut, in der Nähe eines heiteren Menschen zu sein. du weißt,
wie niederdrückend Menschen sein können, die alles durch ihre dunkle
Brille sehen, die fixiert sind auf das Negative, das sie überall
entdecken. Der heitere Mensch hellt dich auf. Du fühlst dich auf
einmal leicht. So wünsche ich dir die Begegnung mit vielen Engeln
der Heiterkeit. Und ich wünsche dir, dass dich der Engel der
Heiterkeit innerlich aufhellt und dich heiter und klar, leuchtend
und wolkenlos werden lässt, damit durch dich die Welt um dich herum
heller und heiterer wird.
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zitiert aus: Anselm Grün, 50 Engel für
das Jahr, Freiburg 1997, S.103/104
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