Folgende Highlights

Nichtduale(n) Highlights Startseite

Nichtduale Highlights # 10     24. Juni.2004      Editor: Hans Schulz
Johanniszeit
Einige Gedanken zum sommerlichen Lichtfest

 

Herbert Fritsche, Sinn und Geheimnis des Jahreslaufs Göttingen 1983 S. 39

Die längsten Tage, die kürzesten Nächte überwandern das Land. Es wird nicht mehr ganz dunkel des Nachts, der Untergangspunkt der Sonne hat sich weit vom Westen zum Norden hin verschoben, vom späten Abend bis zum Morgengrauen bleibt der Nordhorizont, den als einsamer Stern die Capella im Fuhrmann durchfunkelt, Träger eines gläsern klaren oder eines milchigen Glanzes.

Der Sommer ist jetzt bei sich selber zu Tisch geladen. Ein reicher Tisch: alle Wiesen sind übersät mit Blütensternen oder vom Duft des Heus betäubt, die Rosen glühen aus den Gärten, und der Abendweg durch die Hecken, zum sanften Schwung der Hügel hin, ist eingesäumt von Heckenrosen und von den im warmen Winde hin- und hergewiegten weißen, duftenden Doldentellern des Holunders. Kein noch so kärgliches Winkelchen der Welt bleibt ohne Blüten, die winzigen weißen Blütensternchen der Vogelmiere durchschimmern das zertretene Gras der Wege, auf knochentrockenem Lehm am Rande des Ackers gedeiht die kleine schar-lachfarbene Blume Gauchheil, das gilbende Getreide hat den Boden nicht so leer gesogen, dass nicht der feuerrote Mohn bunt ins Land leuchten könnte aus dem Wogengang der Halme.

Es reift das Obst, die Kirschen funkeln wie Korallen aus dem Wipfelgrün, die Zwergenhütchen der Walderdbeeren grüßen aus dem Gras — alles, was leibt und lebt, prunkt in der Fülle. Aber zugleich mit dem Sattsein hat sich die Müdigkeit weit hingebreitet, dumpf muhen die Kühe, träge taumeln die Falter von Blüte zu Blüte, breit hockt Pan im Dorngestrüpp der Himbeerhecken und bläst auf der Syrinx das aus sieben Tönen gefügte Lied, das die Wehmut des Genügefindens kennt.

S. 41- 42

Die geheimnisvolle Johanniszeit mit ihren hellen Nächten und der berauschenden Dreifaltigkeit der Sterne — droben die des Himmels, über die Erde hingebreitet die der Blüten, der Heckenrosen vor allem, und im Raume dazwischen die schwebenden Gestirne des Glühwürmchenfluges —, sie ist ebenjenem Täufer Johannes geweiht, der das Wort aussprach im Hinblick auf Christus: "Jener muss wachsen, ich aber schwinden".

Indem nun, von der Höhe des entfalteten Sommers her, die Rückwanderung zum Dunkel anhebt, die Heimkehr des Offenbaren ins Verborgene, das Schwächerwerden des äußeren Lichtes zugunsten des inneren, geschieht vom Jahreslaufe her ähnliches wie beim Überschreiten der Lebensmitte im menschlichen Schicksalslauf. Nicht ins Sterben wendet sich der Weg, sondern ins Reifen: die bunte Fülle ist nicht das Eigentliche —: der leuchtende Weisheitsgewinn, die Heiligung des Wandels über den Planeten ist das Ziel. So weist Johannes, so weist die Johanniszeit auf Göttliches hin, um dessentwillen irdische Daseinsmacht ihren Abbau erleiden muss. Wenn zur Weihnacht, aus dem dunkelsten Dunkel, das Fünklein des Erlösungslichtes geboren werden soll, wenn das Kind in der Krippe mit der Verkündigung einer großen Freude gefeiert wird, dann ist es die Predigt der Johanniszeit, auf rechte Weise die Kraft zu entfachen, die das Reifen und Welken erträgt um des inneren Wachstums willen. Die Heckenrose des Juni ist für den wahrhaft Wachsamen ausersehen, zur Rosa mystica zu werden, so wie der Holunder der Baum der Einweihung ist, der mit den tausend kleinen weißen Pentagrammen jeder seiner Blütendolden auf den unsterblichen Menschen hinweist, welcher im Leben den Tod und im Tode das Leben zu finden und zu fassen weiß um der Bewährung seiner verborgenen Gottesebenbildlichkeit willen.

 

Zum Anfang der Seite